Unser Glaube

Die Orthodoxie in Italien

von Thomas Zmija- Horjanyj

Eines der beliebtesten Urlaubsländer vieler Deutscher ist Italien. Auch die orthodoxen Christen unter ihnen nehmen Italien aber als fast ausschließlich römisch katholisches Land wahr. Vielleicht werden gerade noch die Gemeinden der evangelischen Waldenser wahrgenommen, doch dass auch die orthodoxe Kirche durch die Jahrhunderte in Italien immer präsent war, ist den meisten so gut wie unbekannt. Aber im Süden der italienischen Halbinsel - vor allem in Kalabrien, Sizilien, Appulien und der Basilicata - lagen orthodoxe Diözesen und Klöster, die dem Ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel unterstanden. Beginnend mit der normannischen Herrschaft über Süditalien verschwanden aber bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts diese orthodoxen Gemeinden allmählich. Nur die vielen alten byzantinischen Kirchen in Süditalien und auf Sizilien legen noch heute von der reichen orthodoxen Kultur während des Frühmittelalters in dieser Region beredtes Zeugnis ab.

Während der ikonoklastischen Wirren kam eine große Zahl von Christen aus dem byzantinischen Reich nach Rom. Noch heute verweist die römische Basilika „Santa Maria in Cosmedin“, die ursprünglich „Santa Maria in Schola Graeca“ hieß und im 6. Jahrhundert von der griechischsprachigen Gemeinde in Rom erbaut wurde, auf ihre Präsenz in der ewigen Stadt. Bis heute werden die Gottesdienste in ihr nach byzantinischem Ritus vollzogen. Auch die 20 Kilometer südlich von Rom bei Frascati gelegene italo- byzantinische Abtei Santa Maria in Grottaferrata, die zum Orden der Basilianer gehört, belegt die lange Gegenwart griechischer Mönche in Italien. Im Jahre 1004 bekam der griechische Mönch Nilus von Markgraf Theophylakt II. von Tusculum eine ehemalige römische Villa in seinem Herrschaftsbereich geschenkt. Nilus und sein Nachfolger Bartholomäus erbauten dort das Kloster Santa Maria di Grottaferrata. Nach dem Schisma zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche verblieb dieses bis zum heutigen Tag beim byzantinischen Gottesdienst in griechischer Sprache, aber unterstand weiterhin dem römischen Papst.

Seit dem 14. Jahrhundert emigrierten orthodoxe Albaner nach Kalabrien und Sizilien, wo sie eigene Gemeinden und Ortschaften bildeten. Da im damals spanisch beherrschten Süditalien ausschließlich der katholische Gottesdienst zugelassen war, nahmen die nach Italien eingewanderten Albaner die Communio mit dem römischen Papst auf, ohne dass es jemals zum förmlichen Abschluss einer Union gekommen ist. Bis heute konnten sie in ihren, in zwei eigenen griechisch- katholischen Diözesen organisierten, Gemeinden den byzantischen Gottesdienst bewahren. In Italien gibt es heute 98.000 Katholiken des byzantinischen Ritus. Sie folgen dem gregorianischen Kalender, und neben Griechisch sind heute auch Albanisch und Italienisch Liturgiesprachen. Das bedeutendste Zentrum der Italo- Albaner ist die sizilianischen Stadt Piana degli Albanesi, wo bis heute die albanische Sprache gesprochen wird.

Nach der Eroberung Griechenlands durch die Osmanen, vor allem nach dem Fall von Konstantinopel 1453, bildeten sich erneut griechisch- orthodoxe Gemeinden in Calabrien, Sizilien, Appulien und Venedig. Vor allem in Venedig trugen die Griechen Wesentliches zur kulturellen und ökonomischen Entwicklung ihrer neuen Heimat bei. Trotzdem bewahrten sie auch in den folgenden Generationen ihren orthodoxen Glauben und die aus der alten Heimat überkommenen Sitten. Sie stifteten orthodoxe Bruderschaften zur Bewältigung caritativer Aufgaben und bauten eigene Kirchen, Schulen und Hospitäler. Das Ökumenische Patriarchat entsandte über die Jahrhunderte hinweg immer wieder Priester für die orthodoxen Kirchen und ebenso Lehrer an die griechischen Schulen in Italien, an denen auch viele Studenten aus dem osmanisch besetzten Griechenland ihre Ausbildung erhielten. Aber mit Beginn des 19. Jahrhunderts veränderten sich die Dinge grundlegend, denn es kam in Folge der Zunahme gemischter Eheschließungen zu einer immer weiter fortschreitenden Konversion der Orthodoxen zur römisch- katholischen Kirche. Auch emigrierten immer mehr Italo- Griechen in die neu entstehenden, wirtschaftlich prosperierenden Zentren auslandsgriechischer Emigration in Übersee.

1896 heiratete Prinz Vittorio Emanuele Prinzessin Elena Petrovic, die Tochter von König Nikolaus I. von Montenegro. Sie war die erste italienische Königin, die sich aktiv um die Verbesserung der Lebensverhältnisse der einfachen Menschen kümmerte. Obwohl persönlich eine fromme orthodoxe Christin, konvertierte Königin Elena zum Katholizismus, damit ihr Mann den italienischen Thron besteigen konnte. Nichts desto trotz richtete sie im römischen Qurinalpalast eine orthodoxe Kapelle ein.

Nach dem zweiten Weltkrieg stieg die Zahl griechischer Zuwanderer nach Italien wieder an und ab den 1960er Jahren wanderten tausende Griechen nach Italien ein. Für sie gründete im Jahre 1991 das Ökumenische Patriarchat die Griechische Orthodoxe Erzdiözese von Italien. Es umfasst die griechisch orthodoxen Gemeinschaften, Bruderschaften und Pfarrgemeinden auf dem Gebiet der Republik Italien. Die Heilige Synode des Ökumenischen Patriarchates ernannte auch einen Metropoliten für die neuerrichtete Erzdiözese, der seinen Sitz an der alten Kathedrale San Giorgio dei Greci in Venedig nahm. Der Metropolit der italienischen Diözese ist gleichzeitig Exarch des Ökumenischen Patriarchen in Südeuropa. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Griechischen Orthodoxen Erzdiözese gab es 8 griechisch- orthodoxe Pfarrgemeinden in Venedig, Neapel, Triest, Barletta, Brindisi, Genua, Mailand und Rom. In den ersten vier Jahren nach der Errichtung der Erzdiözese wurden neue Gemeinden in Udine, Padua, Ferrara, Turin, Pisa, Livorno, Parma, Perugia, Aquila, Catania, Messina, Quartu Sant' Elena, Cagliari- Pirri, sowie eine rumänisch- sprachige Gemeinde in Rom gegründet. Auch wurde das alte byzantinische Kloster des Heiligen Johannes Theristis in der Nähe des Dorfes Bivongi in Kalabrien von einer Bruderschaft orthodoxer Mönche neu besiedelt.

Momentan befinden sich griechisch- orthodoxe Gemeinden in den Städten Verona, Pavia, Varese, Florenz, Ancona, Bari und Lecce im Aufbau. Zum augenblicklichen Zeitpunkt gibt es insgesamt 22 Pfarrgemeinden in der italienischen Erzdiözese, von denen 19 die Göttliche Liturgie in griechischer Sprache, 2 in italienischer Sprache und 1 in rumänischer Sprache vollziehen. In der Diözese gibt es 11 orthodoxe Kirchen und 8 Kapellen an denen 18 Priester Dienst tun, von denen 12 griechischer 5 italienischer und einer rumänischer Nationalität sind. Unter den 7 Gemeinden, die im Entstehen begriffen sind, befindet sich auch eine italienisch- sprachige Gemeinde. Es wird von Seiten der Erzdiözese geschätzt, dass sich die Zahl der Gläubigen in Italien - zusammen genommen mit den griechischen Studenten an italienischen Hochschulen - auf ca. 180.000 Gläubige beläuft.

Neben der Griechischen Orthodoxen Erzdiözese von Italien hat die auch die Rumänische Orthodoxe Kirche für ihre Gläubigen eine eigene Diözese in Italien errichtet. Diese gehört zur rumänischen Metropolie von West- und Südeuropa mit Sitz in Paris. Die italienische Diözese wird von Bischof SiluanŞpan geleitet. Seit Ende der kommunistischen Herrschaft sind etwa 1,6 Millionen Rumänen nach Italien eingewandert. Sie stellen heute die größte Einwanderergruppe im Land. Beschäftigung finden sie vor allem als Wanderarbeiter in der Landwirtschaft, als Haushaltshilfen und in Hilfstätigkeiten als Ungelernte. Wegen der besonders hohen Kriminalitätsrate unter den rumänischen Staatsbürgern - insbesondere unter den Roma und Sinti - werden die rumänischen Einwanderer von den Italienern vielfach ausgegrenzt und diskriminiert. Es ist inzwischen auch zu rassistisch motivierten Gewalttaten gegen Rumänen in Italien gekommen. In dieser nicht einfachen Situation bemüht sich rumänische Kirche, ihre Landsleute auch in der Fremde pastoral und spirituell zu betreuen. In den meisten größeren italienischen Städten werden inzwischen orthodoxe Gottesdienste in rumänischer Sprache gehalten.

Mit dem Beginn der Arbeitsmigration in den 1970er Jahren wanderten auch rund tausende Serben nach Italien ein. Kirchlich betreut werden sie durch die Serbische Orthodoxe Metropolie von Zagreb, Ljubljana und Italien, einer der 5 Metropolien der Serbischen Orthodoxen Kirche. Die Metropolie umfasst den Norden des heutigen Staates Kroatien, Slovenien und Italien. Der Sitz des Metropoliten ist Zagreb. Momentan wird die Metropolie von Vladika Jovan geleitet. Von den 70.000 italienischen Serben leben heute ca. 40.000 im Norden des Landes. Das traditionelle Zentrum der italienschen Serben ist die istrische Stadt Triest. Die dortige Gemeinde umfasst 12.000 Menschen. Seit 1782 ist die dortige Kirche des heiligen Spyridon, die größte orthodoxe Kirche Italiens, ihr geistig- spirituelle Zentrum. Neben Triest ist Arzignano, eine Industriestadt in Venentien, heute das wichtigste Zentrum der Serben in Italien.

Als in Folge der Romantik eine Italienbegeisterung die Gebildeten Europas ergriff und die Medizin die günstigen Auswirkungen des mediteranen Klimas auf den Genesungsprozess von an Tuberkulose Erkrankten erkannte, nahm auch unter der russischen Oberschicht die Zahl der Italienreisenden merklich zu. Der oft lange Aufenthalt fern der russischen Heimat weckte bei vielen von Ihnen den Wunsch nach einem regelmäßigen Besuch orthodoxer Gottesdienste. So wurden in den Sommermonaten zunächst in angemieteten Sälen der Hotels und Kurhäuser provisorische orthodoxe Kirchen, in denen regelmäßig Gottesdienste von aus Rußland angereisten Priestern zelebriert wurden, eingerichtet. Später wurden, wie an vielen anderen Kur- und Erholungsorten in Europa, auch im Italien representative russische Kirchen erbaut, um dem religiösen Bedürfnis der russischen Gäste entsprechen zu können. So wurden im Jahre 1903 die russische Christi- Geburts- Kirche in Florenz und die, am Baustil der Moskauer Basilius- Kathedrale orientierte, Christus- Erlöser- Kirche in San Remo fertiggestellt. Ab 1897 stand auch der russischen Kolonie in Meran eine eigene, dem heiligen Nikolaus dem Wundertäter geweihte, Kirche zur Verfügung.

Von besonderer Bedeutung für alle Orthodoxen ist die russische Kirche in Bari. Bari ist seit dem Jahre 1087 der Aufbewahrungsort der Reliquien des heiligen Nikolaus des Wundertäters. Die Idee, einen Kirchenkomplex für Pilger aus Russland und Griechenland zu errichten, die nach Bari reisen, um die Reliquien des Heiligen Nikolaus zu verehren, stammt von der heiligen Neomärtyrerin Großfürstin Elisabeth. Die Kirche und die anliegenden Bauten wurden aus Spenden der einfachen russischen Gläubigen errichtet. Aber der erste Weltkrieg und die Revolution verhinderten den Abschluss der Bauarbeiten und im Jahre 1937 ging das Gotteshaus und die anliegenden Pilgergebäude in den Besitz der Stadt Bari über, die das angegliederte Pilgerhospiz zu einem Waisenhaus umwidmete. Einen Teil der Bauten hat die Stadtregierung von Bari Ende der 1990er Jahre dem Moskauer Patriarchat zur Nutzung übergeben. Der Baukomplex blieb jedoch nach wie vor im Besitz der Stadtverwaltung. Da seit der Öffnung der Grenzen jährlich Tausende russischer Pilger in die süditalienische Hafenstadt kommen, wurde der gesamte Kirchenkomplex im Jahr 2009 an den russischen Staat übergeben, der ihn seinerseits der russischen Kirche zur Nutzung überlässt.

An den russischen Kirchen in Italien wurden vor dem ersten Weltkrieg nur während der Sommermonate orthodoxe Gottesdienste gehalten. Mit dem Ausbruch des I. Weltkrieges kam auch das russische kirchliche Leben dort zum erliegen. Infolge der Oktoberrevolution kamen russische Emigranten und ihre Priester aber auch nach Italien. Seit den 1920er Jahren gehören ihre Gemeinden mehrheitlich zum Erzbistum der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa. Sie bilden dort ein eigenes italienisches Dekanat (Internetseite in italienisch: http://www.esarcato.it/index.html)

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Ukraine kamen auch tausende von ukrainischen Arbeitsmigranten ins Land. Neben einer deutlich geringeren Zahl von ethnischen Russen werden sie seelsorgerlich von den Geistlichen des Moskauer Patriarchates in Italien betreut. Die Errichtung einer eigenen Diözese für die italienischen Gemeinden des Moskauer Patriarchates ist geplant. Im Dezember 2007 wurde die russische orthodoxe Kirche der heiligen Katherina und Helena, das größte orthodoxe Gotteshaus in Rom, geweiht.

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